In letzter Zeit habe ich mich mit Startup-Crowdinvesting über die Plattform Seedmatch* beschäftigt. Ich möchte diese Investmentform zunächst in relativ kleinem Umfang ausprobieren. Mein Ziel ist es, in etwa zehn Projekte jeweils den Minimalbetrag von 250 € zu investieren.
Aufgrund des sehr hohen Risikos darf die Rendite nicht beschränkt sein. Vor etwa einem Monat bin ich tatsächlich mein erstes sogenanntes „Seed-Investment“ eingegangen. Es handelt sich dabei um ein partiarisches Nachrangdarlehen mit kleinen „Trostpreis-Zinsen“, was zwar höchst riskant ist, jedoch eine (theoretisch) unbegrenzte Rendite im Erfolgsfall bietet.
Heute möchte ich in einem Schnelldurchgang zu allen momentan investierbaren Seedmatch-Investments meine persönliche Einschätzung darstellen. Ich gehe dabei mit meiner ganz eigenen Naivität an die Dinge heran. Ich will damit sagen: Ich habe keine besseren Voraussetzungen als jeder andere Crowdinvestor.
Wie bewerte ich Investment-Angebote?
Ich habe mir einen eigenen Bewertungsprozess überlegt. Dieser besteht aus drei Schritten. Nach jedem Schritt entscheide ich, ob das Projekt noch für mein Investment in Frage kommt oder nicht. Wenn es rausfliegt, kann ich mir weitere Arbeit ersparen und mich mit etwas anderem beschäftigen.
Im ersten Schritt beantworte ich mir bis zu drei Fragen nach meinem Eindruck vom Pitch-Video. Im zweiten Schritt richte ich mein Augenmerk noch einmal genauer auf das Produkt oder die Dienstleistung, soweit das möglich ist, im dritten schaue ich auf die Zahlen und Fakten.
Ausführlich hatte ich das in diesem Artikel beschrieben:
Startup-Crowdinvesting – mein Auswahlprozess und mein erstes Seedmatch-Investment
Nun zu den aktuellen Investmentangeboten.
DaVinci Kitchen
(investierbar bis etwa 02.07.2021)
Das ist eine Roboterküche. Ein Roboter veranstaltet auf Knopfdruck Schaukochen. Damit soll eine Gastronomiekette und ein Franchise-Modell aufgezogen werden.
Die Idee finde ich witzig, aber ich glaube nicht daran, dass sich das in absehbarer Zeit durchsetzen und dann auch noch profitabel sein kann.
Warum nicht? Die Roboter werden garantiert wartungsintensiver als gedacht. Es wird zwar behauptet, dass der Roboter auch noch selbst abwäscht, aber ich kann irgendwie nicht so richtig daran glauben, dass nötige Hygiene-Standards ohne zusätzlichen Aufwand eingehalten werden können.
Eine weitere Frage ist: Wie kommen die Zutaten da hinein? Da kommt man doch an vorbereitetem Zeug – also an Convenience-Produkten – nicht vorbei. Das mit dem „kocht immer frisch“ ist dann auch relativ zu sehen. Ich glaube nicht, dass der Roboter in der Lage ist, wirklich frische ursprüngliche Zutaten zu verarbeiten, d. h. Gemüse zu putzen usw.
Momentan ist DaVinci-Kitchen noch auf Pasta beschränkt. Pasta-Gerichte zu kochen ist ohnehin nicht sehr aufwändig. Das schafft man ohne solch einen Roboter wahrscheinlich schneller, mit weniger Kosten und mindestens genauso frisch. Auch die weiteren Gerichte, die demnächst mit DaVinci-Kitchen möglich sein sollen, klingen nicht so kompliziert.
Fazit zu DaVinci Kitchen: Ich beantworte gleich die erste Frage in meinem Beurteilungsprozess, ob ich etwas mit der Idee anfangen kann, mit „Nein“, womit ein Investment für mich ausscheidet.
BerlinGreen
(investierbar bis etwa 05.07.2021)
Eine schön gestaltete Pflanzkiste mit Zubehör und als „Knüller“ App-gesteuert übers Smartphone. Das Ganze ist super-nachhaltig und außergewöhnlich, da aufgrund der angefügten Technologie hypermodern usw.
Vielleicht erkennt man an meiner Darstellung der Idee schon meine Meinung zum Projekt: Das ist Öko-Hipster-Blabla für alten Wein in neuen Schläuchen.
So etwas muss zwar nicht unbedingt schlecht sein, für mich sieht das aber eher nach einer Mode aus, die sich schnell erledigt hat, wenn die Leute merken, dass das doch nicht so ganz von alleine funktioniert. Es sieht in dem Kasten bald räudig aus, wenn man sich überhaupt nicht darum kümmert.
Bezeichnend finde ich auch, dass als erste Argumente auf das Design der Box eingegangen wird, meiner Meinung nach zu detailverliebt. Ich halte dieses Projekt für nicht besser als den althergebrachten Kräutertopf auf der Fensterbank in der Küche oder auf dem Balkon. Das ist nett, aber kein Investment.
Mein Fazit zu BerlinGreen: Ich kann mit der Idee als Investment nichts anfangen, womit auch dieses Projekt bei mir gleich durchfällt.
Bumpli
(investierbar bis etwa 09.07.2021)
LED-Nachtlichter, die direkt an Trinkflaschen für Babys und Kleinkinder angebracht werden können. Aufladbar. Weitere Produkte sind geplant. Meine Einschätzung:
Schritt 1: Pitch-Video
Frage 1: Kann ich etwas mit der Idee anfangen, halte ich sie für sinnvoll?
Antwort: Ja, ich finde die Idee prima.
Frage 2: Ist die Zielgruppe wirklich groß genug bzw. so groß wie dargestellt?
Antwort: Ja.
Frage 3: Traue ich der Person aus dem Video die Sache zu?
Antwort: Ja. Der CEO Enis Ayari macht auf mich einen sehr begeisterten und kompetenten Eindruck.
Schritt 2: Das Produkt näher betrachten oder testen
Ich selbst werde mir kein derartiges Nachtlicht bestellen, da ich dafür keine Verwendung habe, aber ich habe ein Video zur Sendung „Das Ding des Jahres“ gefunden, wo der Gründer selbst einige Varianten präsentiert. Anhand dessen beantworte ich zwei Fragen:
Frage 1: Ist das wirklich so gut?
Antwort: Ja, ich habe den Eindruck.
Frage 2: Wie wird es bereits jetzt vermarktet? Erreichen sie die Zielgruppe?
Antwort: Wahrscheinlich. Der CEO ist ein hervorragender Verkäufer. Außerdem habe ich den Bumpli im Online-Shop von Rewe gefunden.
Schritt 3: Zahlen, Fakten und Chancen
Wie bei allen Seed-Investments kann man Totalverlust erleiden. Also sollte als Ausgleich eine realistische Chance auf eine hohe Rendite bestehen.
Zunächst einmal ist da eine endfällige Basisverzinsung von 1 % pro Jahr, die ich als Trostpreis ansehe, sofern sich das Unternehmen geradeso über Wasser halten kann. Man kann diese frühestens zum 31.12.2025 mitnehmen. Das ist Standard bei allen Investments und ist nicht der Rede wert.
Interessanter sind die anderen beiden Komponenten, zum einen die gewinnabhängigen jährlichen Bonuszinsen, wenn der Break-Even erreicht ist, und zum anderen eine Exit-Beteiligung oder erfolgsabhängiger Bonuszins bei Vertragsende durch Kündigung.
Zu den gewinnabhängigen jährlichen Bonuszinsen:
Nun hat diese Firma den Break-Even bereits erreicht. Damit machen sie auch Werbung für das Funding. Heißt das automatisch, dass die jährlichen Bonuszinsen für die Crowdinvestoren sicher sind? Natürlich nicht, denn wenn einmal Gewinn gemacht wird, heißt das nicht automatisch, dass das immer der Fall sein wird.
Der Anteil, den man am Gewinn erhalten wird, richtet sich wie bei jedem Seedinvestment nach der persönlichen Investmentquote. Diese berechnet sich für Bumpli wie folgt:
Die Bewertung des Unternehmens vor dem Funding liegt bei 3,5 Mio. €. Es sollen zwischen 100.000 € und 500.000 € über die Crowd aufgenommen werden. Beim Maximum von 500.000 € liegt die Bewertung danach also bei 4 Mio. €. Ein Investmentbetrag von 250 € entspricht einem Anteil daran von
250 : 4.000.000 = 0,0000625 = 0,00625 %
Das ist die minimale Investmentquote. Die Frist für den Early-Bird-Bonus, der die Quote noch etwas anhebt, ist längst verstrichen. So brauche ich diesen Fall nicht mehr zu betrachten.
Wenn ich ein Minimalinvestment über 250 € eingehe, stehen mir vom steuerlich bilanzierten Gewinn jedes Jahr also 0,00625% zu.
Nun brauche ich ja nur nachzusehen, wie hoch denn die Gewinne zuletzt waren, zumal sie ja behaupten, den Break-Even erreicht zu haben. Das rechne ich dann Pi-mal-Daumen auf ein Jahr hoch und davon berechne ich meine Prozente mit obiger Quote, um eine gute Schätzung zu bekommen. Soviel zur Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus:
Im geschützten Bereich mit den Zahlen finde ich nur einen Jahresabschluss von 2019 und eine betriebswirtschaftliche Auswertung für den Januar 2021. Bei beiden steht am Ende ein Minus.
Da frage ich mich doch, warum keine konkreten Zahlen für 2020 veröffentlicht wurden, aus denen eben jener Break-Even ersichtlich ist.
Da hier die Zahlen entweder fehlen oder versteckt sind, so dass ich sie nicht gleich gefunden habe, fühle ich mich ein wenig vereimert und habe, was ein Investment in diese Firma angeht, ein leichtes Bauchgrummeln.
So stelle ich keine weiteren Betrachtungen dazu an, sondern lasse ein Investment in Bumpli ganz bleiben.
Quarkwerk
(investierbar bis etwa 16.07.2021)
Sie produzieren (proteinreiche) Quarkriegel, die in Bio-Läden und im Lebensmittelhandel verkauft werden und ins Kühlregal müssen.
Meine Einschätzung: Im Schritt 1 meines Beurteilungsprozesses konnte ich mich nicht so richtig entscheiden. Die Antworten auf meine Fragen dazu enthielten alle ein „Aber“. Nach dem Schritt 2, also dem Produkttest, habe ich mich gegen ein Investment entschieden. Die Einzelheiten dazu kannst du in diesem Artikel nachlesen:
Startup-Crowdinvesting-Projekt: Lecker, aber Investment?
KERNenergie Store
(investierbar bis etwa 19.07.2021)
Superfrische Snacks aus Nüssen. Ein sehr ansprechendes Sortiment, welches durch besondere Manufaktur-Schokoladen und Weine abgerundet wird. Alles sind Premium-Produkte. KERNenergie gibt es schon. Nun wollen Sie eine Kette von Läden eröffnen.
In dieses Projekt habe ich vor etwa einem Monat investiert. Meine Einschätzung dazu hatte ich in diesem Artikel detailliert dargestellt:
Startup-Crowdinvesting – mein Auswahlprozess und mein erstes Seedmatch-Investment
GoCards
(investierbar bis etwa 23.07.2021)
Sie bieten Karten an, über die man bei Bedarf telefonischen Rat von einem passenden Experten einholen kann, z. B. Anwalt, Tierarzt, Arzt, IT-Experte usw. Die Karten gibt es an Tankstellen und in anderen Verkaufsstellen zum Preis von 30 € pro Stück. Darauf steht dann so etwas wie „Anwalt in der Tasche“ usw. Solch eine Karte berechtigt zu einem 15-minütigen Telefonat mit einem entsprechenden Experten. Über diese Karten hinaus wollen sie über die sogenannte „Go Suite“ Daten von den Kunden sammeln und weitere maßgeschneiderte Lösungen, die dann mehr kosten, anbieten.
Ich halte dieses Konzept für unpraktikabel. Nützlicher Expertenrat in nur fünfzehn Minuten ist meiner Meinung nach unrealistisch. Nach einem so kurzen Gespräch mit einem Anwalt ist der Kunde in den meisten Fällen genauso schlau wie vorher. Oft wird das Problem für nur fünfzehn Minuten zu komplex sein. Ansonsten könnte man einfach googlen und würde oftmals auch so eine Lösung finden.
Noch sinnloser finde ich die GoCard für den Anruf bei einem IT-Experten. Das geht schon damit los, dass der Begriff „IT-Experte“ Quatsch ist, denn niemand kann Experte über alles sein, was mit IT zusammenhängt. Auch hier findet man für die Probleme, die ins Fünfzehn-Minuten-Raster passen, meistens durch Suche im Internet selbst eine Lösung.
Bei medizinischen Belangen halte ich die Sache für noch sinnloser oder sogar für bedenklich. Welcher Arzt macht Ferndiagnosen für einen Unbekannten am Telefon? Außerdem, wenn es wirklich dringend ist, gibt es die Notaufnahme.
Ein weiterer Punkt ist: Habe ich für den Fall der Fälle wirklich die passende GoCard dabei? Wenn ich erst eine Verkaufsstelle suchen soll, ist das ziemlich sinnlos.
Die Sache mit den maßgeschneiderten Angeboten über die „Go Suite“ kann ich mir auch nicht so richtig vorstellen.
Die andere Seite: Welche Experten stellen sich für solch ein Projekt zur Verfügung? Wahrscheinlich nur jene, die nicht ausgelastet sind. Warum sind die nicht ausgelastet? Vielleicht mangelnde Kompetenz? Das wirkt jedoch für die GoCards nicht gerade qualitätsfördernd.
Aus der Sicht des Experten: Die werden immer wieder mit Anfragen konfrontiert, denen sie sich aufgrund der geringen Bezahlung nicht ausführlich genug widmen können. So etwas ist doch frustrierend, zumindest für gute Experten.
Mein Fazit zu GoCards: Ich sehe nicht ein, dass diese Idee funktioniert. Damit ist das Projekt für ein Investment sofort im ersten Schritt durchgefallen.
EarlyGame
Das Funding startet morgen.
Es geht dabei um eine Community Plattform für Gaming und Esports.
Beides ist überhaupt nicht mein Thema und ich habe keine Meinung dazu.
Bin ich zu streng?
Ich sehe schon, es wird bestimmt schwierig für mich, meine geplanten zehn Investments zu finden. Mag sein, dass ich zu kritisch bin. Das schadet jedoch nicht.
Mach dir selbst ein Bild von den Investmentmöglichkeiten auf Seedmatch*
Bedenke jedoch, dass du dein investiertes Geld verlieren kannst und investiere nur, wenn du von einem Projekt wirklich überzeugt bist.
Weitere Artikel zum Thema
- Crowdinvesting in Startups: Wie sich Chancen erhöhen und Risiken senken lassen
- Startup-Crowdinvesting: 16% Rendite pro Jahr mit Seedmatch?
- Startup-Crowdinvesting – mein Auswahlprozess und mein erstes Seedmatch-Investment
- Startup-Crowdinvesting-Projekt: Lecker, aber Investment?
Mit * gekennzeichnte Links sind Affiliate-Links. Über jeden Abschluss erhalte ich eine kleine Provision, die dich jedoch nichts extra kostet.
3 Antworten auf „Seedmatch-Investments: Meine Beurteilung zu sämtlichen aktuellen Angeboten“
Hallo Petra
Spannend und vor allem sehr umfangreich deine Analyse ich muss zugeben, ich gebe mir weniger Mühe und habe meine Startups breit gefächert eingesammelt – allerdings über Seedrs da kann man halt auch mit 20GBP schon investieren (fair ist ab 50 wegen ihren neuen Gebühren) Über Crowdfunding Strategien habe ich mich mit einem sehr erfahrenen Investor mal länger unterhalten vielleicht ja auch für dich interessant= https://p2p-game.com/p2p-legenden-joerg-crowdfunding
grüße
Thomas
Nein, du bist nicht zu streng. Beispiel Nüsse: Es ist ein normales Lebensmittelgeschäft. Renditen im Einzelhandel sind bekannt. Keinerlei disruptives Potential.
Wahre kühne Ideen scheinen mangelhaft zu sein. Immer derselbs Käse.
Super Artikel! Sehr schön wie strukturiert Du Dich einarbeitest und Deinen gesunden Menschenverstand bei Deinen Überlegungen einsetzt. Kann von mir leider nicht behaupten immer so rational vorzugehen. Deshalb: Chapeau!
VG, Lars