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Ist XPOLI das „Google Analytics“ des stationären Einzelhandels? – Ein neues Seedmatch-Investment

Seit gestern wird eine neue Investmentmöglichkeit auf der Plattform Seedmatch* angeboten. Es handelt sich dabei um XPOLI. Die Investoren scheinen sich nur so darauf zu stürzen. Warum ich die Finger davon lasse, obwohl ich auch zuerst sehr begeistert davon war, erfährst du hier.

Das Pitch-Video und meine Überlegungen dazu

Das habe ich mir wie immer zuerst angeschaut. Es geht dabei um ein System aus Sensoren plus Softwareservice, mit dem stationäre Verkaufsstätten bestückt werden. Damit wird die sogenannte „Customer Journey“ getrackt. Dann werden daraus Schlüsse gezogen, und zwar darüber, wie der Laden seine Angebotspalette und vielleicht auch deren Platzierung ändern muss, um seine Gewinne schön zu steigern.

Das Ganze ist nach Behauptung der Gründer datenschutzkonform „by Design“. Die Läden werden einmal ausgestattet und dann verdient XPOLI jeweils an den laufenden Kosten für den Auswertungsservice. Den gibt es in verschiedener Ausprägung, d. h. nach Ausführlichkeit und Genauigkeit.

Das klingt natürlich super. Aber mir ist schon klar, dass solche Pitch-Videos immer überaus positiv gestaltet sind. Würde ich ja auch so machen.

Die beiden Fragen, die ich mir nach dem Ansehen solcher Ideen immer stelle, sind:

Frage 1: Kann ich mit der Idee etwas anfangen? Interessiert sie mich?

Frage 2: Ist die Zielgruppe groß genug?

Die beantworte ich beide mit „Ja“.

Das Produkt oder die Dienstleistung

Im zweiten Schritt schaue ich mir das Produkt oder die Dienstleistung genauer an. Wenn es etwas ist, das ich testen kann, teste ich es. (Siehe meine Artikel zu KERNenergie und Quarkwerk.)

Dann stelle ich mir die Fragen:

Frage 1: Ist das wirklich so gut, wie sie behaupten?

Frage 2: Wie wird es bis jetzt vermarktet? Schaffen sie es, die Zielgruppe zu erreichen?

Frage 2 beantworte ich in gutem Glauben mit „Ja“. Sie behaupten, schon viele Anfragen zu haben. Das glaube ich, denn die Sache klingt sehr vielversprechend.

Zu Frage 1 kann ich mir ohne Hilfe keine Meinung bilden. So habe ich im Dialogbereich zu diesem Investment ein paar Fragen gestellt und mir auch die Fragen von anderen Interessenten durchgelesen.

Außerdem habe ich mir die Geschäftszahlen, die vor allem aus Schätzungen bestehen, angeschaut. Die sehen mir einfach zu schön aus, um wahr zu sein.

Der Dialog mit XPOLI

Der Dialogbereich zu Seedmatch-Investments ist nur für registrierte Kunden zugänglich. Deshalb darf ich hier nicht alles offen wiedergeben. Aber meine eigenen Fragen kann ich schon nennen. Das waren diese:

Was es einen Laden, z. B. normalen Lebensmittelmarkt, kostet, mit dem System ausgestattet zu werden, habe ich gefunden. Wie viel zusätzlichen Gewinn bringt es für den Laden? Wie lässt sich das nachweisen? Was verdient XPOLI an einem System, sagen wir in einem durchschnittlichen Laden?

Wie aufwändig ist die Ausstattung eines Ladens? Was muss dazu genau getan werden?

Wenn ich die Zahlen aus dem Forecast richtig lese, soll schon ab 2022 Gewinn gemacht werden. Damit würde ich ab dann für mein Investment bereits Bonuszinsen bekommen?

Wenn ich das richtig verstanden habe, wird jeder Kunde einzeln getrackt, oder? Was ist die Technik hinter dem System? Arbeitet Ihr mit Kameras oder mit Bewegungstrackern in den Einkaufswagen? Wenn letzteres der Fall ist: Was ist, wenn ich den Einkaufswagen stehen lasse und mich losgelöst davon zu den einzelnen Regalen bewege? Dann würde doch das System an seine Grenzen stoßen.

Thema Datenschutz: Auf datenschutzkonformen Webseiten habe ich die Wahl, ob ich getrackt werden möchte oder nicht. Habe ich als Kundin im Laden die Wahl? Steht z. B. am Eingang eine Warnung, dass solch ein System eingesetzt wird? Gibt es die Möglichkeit, ungetrackt in solch einem Laden einzukaufen? Aus der Sicht des Händlers finde ich solch ein System prima. Aber als Kundin sehe ich das mit gemischten Gefühlen. Wie gewährleistet Ihr, dass das anonym bleibt und die Daten nicht anderweitig verwendet werden (können)?

Meine Fragen wurden nur zum Teil beantwortet und meinem Eindruck nach sehr ausweichend. Mag sein, dass sie einiges davon einfach nicht wissen können. Da hätte ich nichts gegen ein „Das wissen wir noch nicht“, gehabt. Aber stattdessen wurde meinem Empfinden nach herumgeeiert.

Hier zur Verdeutlichung Auszüge aus der Antwort:

Der zusätzliche Gewinn eines Ladens hängt davon ab, welche Auswertungen gebucht werden. Um ein Beispiel zu nennen Displays (Sonderverkauf) dank optimaler Standortbestimmung durch XPOLI’s KI konnte der Abverkauf um 25% gesteigert werden und das in kürzerer Zeit 3 Wochen statt 4 Wochen.

Hhmm, nunja. Wie viel Euro dabei herauskommen können und wie es sich zu den Kosten des Systems verhält – nicht beantwortet.

Wie aufwendig die Ausstattung eines Ladens ist und was dazu getan werden muss, wurde völlig ignoriert.

Zum Tracking: Wir nutzen CMOS Sensoren zum Tracken der Kunden.

Ja gut. Soviel ich weiß, ist so etwas auch in Digitalkameras verbaut und arbeitet sehr genau.

Zu meinen Datenschutzeinwänden kamen auch nur Beteuerungen. Auszug:

Eine anderweitige Verwendung schließen wir aus, indem Anwender des XPOLI-Systems nur Analysen bekommen, jedoch keine Rohdaten.

Aha, aber es gibt Rohdaten.

Andere Interessenten haben auch sehr gute Fragen gestellt, z. B. ob denn beim Tracking zwischen Kunden und Mitarbeitern unterschieden werden kann, oder ob das nicht arbeitsrechtlich problematisch sein könnte, wenn z. B. durch dieses System festgestellt wird, dass es immer bei einer bestimmten Kassiererin an der Kasse lange dauert. Oder es wurde gefragt, ob man die Sensoren sehen kann.

Die Beantwortung empfand ich zum Teil als unzureichend. Manche Einzelfragen wurden ignoriert.

In den Kommentaren hat jemand anders geschrieben, dass es ihm/ihr so vorkommt, dass sich XPOLI keine große Mühe bei der Beantwortung der Fragen gibt. Den Eindruck hatte ich auch.

Naja, wenn sie ihr Geld auch so bekommen! Aber für mich ist das ein Grund, nicht zu investieren. Die Firma prognostiziert in den Zahlen im geschützten Bereich sehr hohe Steigerungen. Für mich passt das irgendwie nicht zur ungenauen Beantwortung der Fragen.

Meine Entscheidung

Vielleicht irre ich mich, aber ich habe bei der Sache kein gutes Bauchgefühl. So lasse ich lieber die Finger davon. Das heißt, ich verzichte auf den dritten Schritt meines Auswertungsprozesses. Der besteht sonst darin, dass ich mir die Zahlen noch etwas genauer ansehe und meine Gewinnchancen schätze.

Mach dir am besten selbst ein Bild dazu. Wenn du dich auf Seedmatch* registrierst, kannst du auch die nicht öffentlichen Daten sehen.

Meine Einstellung zu Startup-Crowdinvesting

Ich habe schon öfter über Startup-Crowdinvesting auf Seedmatch* geschrieben und mir aus der bisherigen relativ großen Auswahl von Investmentmöglichkeiten nur zwei herausgesucht, in die ich jeweils den Mindestbetrag von 250 € investiert habe.

Um das zu tun, muss für mich alles stimmig sein. Trotzdem bleibt es ein hochriskantes Investment, eher eine Spekulation.

Überhaupt habe ich nicht vor, sehr viel Geld in diese Investments zu stecken. Ich sehe sie als hochriskant an, aber vielleicht lande ich ja den einen oder anderen Glückstreffer, so dass sich das Ganze insgesamt lohnt.

Was denkst du dazu? Was ist deine Meinung zu XPOLI?

Schreib gern einen Kommentar.

Das hier ist keine Anlageberatung, sondern nur meine persönliche Meinung.

Mit * markierte Links sind Affiliate-Links. Für jeden Abschluss darüber erhalte ich eine kleine Provision, die dich nichts extra kostet. Aber überlege dir bitte gut, ob du Geld in solch riskante Sachen stecken möchtest.

4 Antworten auf „Ist XPOLI das „Google Analytics“ des stationären Einzelhandels? – Ein neues Seedmatch-Investment“

Ich bin mit Seedmatch schon seit Jahren und generell „fertig“. Bei den (verschleppten) Insolvenzfällen und bei Streitigkeiten, wo ein Startup die Crowd möglichst billig rauswerfen wollte, weil nur so „big money“ bei ihnen einzusteigen bereit war, hat Seedmatch die Investoren in schönster Regelmässigkeit allein gelassen oder sich stumpf auf die Seite des Startups gestellt – obwohl der Interpretationsspielraum gerade wegen der schlecht formulierten von Seedmatch aufgesetzten Verträge entstand.

Ausserdem sind für mich bei Investitionen Partiarische Nachrangdarlehen inzwischen ein NoGo. Stehst im Insolvenzfall genauso mies da wie als Aktionär, hast aber quasi keine Rechte – und die wenigen die du hast, kannst du nicht sinnvoll durchsetzen.
im Frühjahr nächstes Jahr bin ich mein letztes Seedmatch-Investment los, danach wird der Account da endgültig gekündigt.

Ich kann deinen Unmut gut verstehen. Willst du die Seedmatch-Investments, die du hast/hattest, mal beim Namen nennen?
Soviel ich weiß, bist du doch aus der Schweiz, oder? Lohnt es sich da überhaupt, in Euro-basierte Darlehen zu investieren? Meistens machst du doch schon aufgrund der Währung Verlust.

Für mich ist so etwas nur eine kleine Spekulation nebenbei. Wenn überhaupt, dann nur mit dem Mindestbetrag. Ich will einfach mal ausprobieren, ob ich den richtigen Riecher für die wenigen funktionierenden Investments habe, die es ja laut Seedmatch (siehe Funding-Index) geben soll.

Ich lebe in der Schweiz, das hast du richtig in Erinnerung, bin aber gebürtiger Deutscher. In den Jahren seit 2007 hat der Schweizer Franken gegenüber dem Euro überwiegend nur eine Richtung gekannt – Aufwertung. Deshalb macht man mit Investitionen in Euroland keinen Währungsverlust, sondern langfristig Gewinn (Stichwort „reversal to the mean“, denn die Überbewertung des Franken wird sich irgendwann wieder in die Gegenrichtung bewegen – und sofern sich die EU nicht in den nächsten 20 Jahren komplett selbst abwrackt, wäre auch noch eine Rückkehr in den Euroraum eine denkbare Option für die Rente, so dass ich meinem Geld sozusagen hinterherreisen würde). Und der Währungstausch geht mit Wise.com auch noch sehr kostengünstig vonstatten.

Die Partiarischen Nachrangdarlehen haben einen schönen theoretischen Vorteil für Steuerausländer mit Wohnsitz Schweiz: aufgrund einer Gestaltungsunschärfe im DBA DECH ist es möglich, einen Gewinn bei Kündigung bzw. Auslaufen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz steuerfrei vereinnahmen zu können. Auf die laufenden Zinszahlungen während der Laufzeit fällt zwar deutsche Abgeltungssteuer an, die Kündigungsleistung ist jedoch eine Kapitalrückzahlung und keine Zinszahlung mehr. Deshalb darf dann auch der deutsche Fiskus da die Hand nicht mehr aufhalten. In der Schweiz sind dann netterweise Kapitalgewinne auch wieder steuerfrei (Kapitalrückzahlungen eh) – Resultat: Gewinn ohne irgendein Steueramt beteiligen zu müssen.

Nutzniessen konnte ich das genau einmal, brachte mir einen Nettogewinn von 5800% auf die Einstiegssumme. Das hat die Verluste aus den erfolglosen Pitches natürlich um Grössenordnungen wettmachen können.

Zu diesen Fehlschlägen (und insbesondere den Abzocken) möchte ich mich nicht öffentlich äussern, weil das theoretisch als Verstoss gegen Schweigevereinbarungen in den Seedmatch-Verträgen ausgelegt werden könnte. Bei den echten Insolvenzen waren der Riecher und die Ausgangslage eigentlich richtig positioniert, es hat dann in aller Regel einfach nicht mehr für Nachfolgefinanzierungen zur Skalierung des Geschäftsmodells gereicht.

Meine Erfahrung mit Seedmatch, Companisto und Co. hat mir folgendes gezeigt: weil damit die deutsche Prospektpflicht umgangen werden kann, tummeln sich erschreckend viele Glücksritter unter den pitchenden Startups, die einfach die Gelegenheit nutzen wollen die schnelle Mark zu machen oder kostengünstig einen Versuchsballon starten, den eingehen lassen und dann später mit gleichem Team unter neuem Namen das Gelernte in einem neuen Startup nochmals modifiziert anzugehen. Und dann gibt es noch die, die tatsächlich anders zunächst nicht an Geld herankamen, bei ersten Erfolgen dann aber plötzlich doch Angebote von Venturekapitalisten bekommen und die Crowd dank der miesen Vertragskonstruktionen extrem einfach ausbooten können, um bloss nicht teilen zu müssen.

Mehr als ein bisschen Spielgeld für den Nervenkitzel sollte man da also tatsächlich nicht reinstecken. Andere gehen dafür ins Casino 🙂

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