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Woran fast niemand denkt: Die Langfrist-Illusion von ETF-Sparplänen

Zum Vermögensaufbau einen Sparplan über einen weltweit investierenden Aktien-ETF einzurichten und dann einfach 30 Jahre lang laufen zu lassen wird nicht klappen – in den meisten Fällen jedenfalls nicht.

Nein, ich bin nicht plötzlich unter die Crash-Propheten gegangen, und solange sich Homo sapiens nicht als eine Erkrankung der Erde erweist, die sich eines Tages einfach von selbst erledigt, halte ich es für logisch, dass es mit der Wirtschaft langfristig gesehen immer weiter aufwärts geht. Warum soll beliebiges Wachstum nicht möglich sein? Schließlich ist das Universum unendlich, und wenn uns der Platz auf der Erde nicht mehr ausreicht, besiedeln wir eben den Weltraum.

Doch bleiben wir zunächst hier unten. Die Wirtschaft gedeiht also weiterhin, zumindest langfristig. Und das ist natürlich positiv für diejenigen, denen die Unternehmen oder auch nur Teile davon gehören, also für die Aktionäre und auch für die Anteilsbesitzer von Aktien-ETFs.

Aktien-ETFs sind eine prima Möglichkeit, durch breit gestreutes Investment an dieser Entwicklung teilzuhaben, und ETF-Sparpläne sind genial, denn sie erfüllen gleich drei Wünsche auf einmal, zwar nichts Spannendes, nichts zum Spielen und auch keine Schokolade, sondern einfaches Sparen, einfaches Anlegen und das Ganze vollautomatisch.

Die Illusion

Die Brücke, über die ich dabei jedoch nicht gehe, ist „einmal einrichten und dann einfach 30 Jahre lang laufen lassen“. Das funktioniert genauso wenig, wie 30 Jahre lang immer das gleiche Auto zu nutzen. Naja, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

So entwickelt sich auch die Welt der ETFs und ETF-Sparpläne weiter, oder sagen wir allgemeiner die Welt der Finanzprodukte. Investieren in ETFs ist in Deutschland überhaupt erst seit dem Jahr 2000 möglich, und damals gab es noch keine so große Auswahl wie heute.

Schauen wir uns z. B. die aktuelle Liste der ETFs auf den MSCI World Index an. Keinen, den man heute bei uns kaufen oder besparen kann, gab es damals im Jahr 2000 schon. Der erste ETF über den MSCI World wurde 2002 aufgelegt und bereits 2008 wieder geschlossen. In folgendem Artikel hatte ich Genaueres dazu geschrieben: ETF-Auflösung in der Krise? Wenn ja, was tun?

In der Zwischenzeit kamen zwar weitere MSCI World ETFs hinzu, jedoch stammt der älteste, den ich finden konnte und der heute noch investierbar ist, aus dem Jahr 2005. Überhaupt war die Auswahl an ETFs im Jahr 2000 bescheiden und davor gab es hier überhaupt keine.

Es gab jedoch schon Aktienfonds und auch Sparpläne darüber und damit auch den Cost-Average-Effekt. Auf dem Nachrichtensender n-tv und in einschlägigen Finanzzeitschriften wurde der automatisierte langfristige Vermögensaufbau empfohlen wie heute in diversen Blogs und YouTube-Videos. Das war ja auch damals nicht falsch.

Allerdings waren die Kosten im Vergleich zu den heutigen ETF-Angeboten immens: Ausgabeaufschläge von 5 % und mehr und jährliche Gebühren von mindestens 2 %. Da war es schon ein tolles Angebot, wenn man einen Discount auf den Ausgabeaufschlag bekommen konnte. Trotzdem blieben noch die Verwaltungsgebühren, die die Rendite schmälerten.

Auch heute gibt es noch solche teuren aktiv gemanagten Aktienfonds. Und auch wenn deren Kosten beim informierten Investor von heute einen Kreislaufkollaps auslösen: Hätte man damals einen solchen, weltweit investierenden, sehr breit gestreuten Aktienfonds, der bis heute überlebt hat, erwischt und darauf einen Sparplan abgeschlossen und bis heute laufen lassen, wäre man ganz sicher im Plus und hätte wahrscheinlich auch damit seine Rentenlücke geschlossen.

Zwar hätte man die Rentenlücke der Fondsmanager damit gleichzeitig mehr als geschlossen. Trotzdem wäre das eigene Ergebnis, wenn auch schlechter als der Gesamtmarkt, dennoch höchstwahrscheinlich besser, als wenn man gar nichts getan hätte. Solche Investoren sind jedoch sehr selten. Ich kenne jedenfalls niemanden, auf den das zutrifft.

So würde ich heute darauf wetten, dass es in 30 Jahren genauso schwierig sein wird, jemanden zu finden, der einen heute eingerichteten ETF-Sparplan dann immer noch betreibt. Dabei würde ich Anpassungen der Sparrate oder auch zwischenzeitliches Aussetzen noch nicht einmal als Änderung werten.

Genauso wie damals noch niemand Details vom bevorstehenden Vormarsch der ETFs wissen konnte, weiß heute noch niemand, wie sich die Finanzindustrie und damit zusammenhängende Technologien innerhalb der nächsten 30 Jahre weiterentwickeln. Möglicherweise gibt es dann eine noch andere, fortschrittlichere Art von Aktienfonds, noch günstigere Sparpläne oder ganz andere Modelle, die alle heutigen Langfristprognosen zu ETF-Sparplänen in den Schatten stellen.

Wenn du heute mit dem langfristigen Vermögensaufbau beginnst, ist ein ETF-Sparplan eine gute und bequeme Lösung. Rechne aber damit, dass du irgendwann im Laufe der Jahre etwas daran ändern wirst, wie z. B. einen ETF unfreiwillig wegen Schließung oder freiwillig gegen einen besser geeigneten oder eine noch bessere Investition auszutauschen. Solange du nicht panisch alles verkaufst, wenn es zwischenzeitlich nach unten geht, und das wird es garantiert irgendwann, ist alles gut.

10 Antworten auf „Woran fast niemand denkt: Die Langfrist-Illusion von ETF-Sparplänen“

Ich glaube bei ETF Sparplänen geht es mehr um das Konzept als das Produkt. Mehr und mehr Leute werden darüber bewusst, dass es mehr Sinn macht in den Gesamtmarkt zu investieren als es auf eigene Faust oder mit einem Fond Manager oder Anlageberater zu versuchen. Dass bestimmte Produkte aufgelöst werden oder günstigere Anbieter auf den Mark kommen ist vorauszusehen. Dennoch gibt es genügend Menschen die einmal investieren und es dann einfach liegen lassen. Das sieht man ja auch daran dass Leute 30 Jahre lang Sparbücher halten obwohl es ein vergleichsweise schlechtes Investment ist. Ich glaube die Allgemeinheit ist eher träge. Ich frage mich eher ob es ein Problem sein könnte wenn Menschen massenhaft in den Gesamtmarkt investieren und somit einfach nur eine Blase entsteht weil der Gesamtmarkt insgesamt einfach überbewertet wird. Oder habe ich da einen denkfehler?

Vor den ETFs gab es in der Zeit ab 2002 bis 2009 bereits Index-Zertifikate in Deutschland, die aber durch die Indexfonds wieder aus der Mode kamen. Einen weltweiten Aktienfonds zu besparen, das tue ich seit 18 Jahren: UniGlobal. Ende 2017, nach 15 Jahren, hatte ich dazu ein Fazit gezogen, einfach mal googlen: „Riestern für Querdenker“. Ich denke, die nächsten 12 Jahre schaffe ich auch noch. Ich habe bisher nur 2 Dinge machen müssen: Dauerzulagenantrag stellen und Widerspruch einlegen, als Union Investment auf „flexible“ Aktienquote umstellen wollte.

Ja stimmt, an die Indexzertifikate erinnere ich mich. Es sind aber andere Konstrukte als die ETFs und man hätte dann doch wohl gewechselt. Und was die dreißig Jahre im gleichen Investmentprodukt angeht: Ausnahmen bestätigen die Regel – toi, toi, toi für dein Investment. .

Mir fallen dazu zwei Sachen ein: Mit Sparplänen bei den „normalen“ Onlinebroker wie Flatex, Comdirect, etc. kann ich auch ohne Gebühren in ETFs sparen. Trade Republik ist bei Aktienkäufe meine ich besonders interessant.
Außerdem hätte das massenhafte Sparen in ETFs den Nachteil, dass die Indizes von immer weniger aktiv gemanagten Fonds leichter beeinflusst werden können. Ob das auf Dauer ein echtes Problem wird?
Danke und Gruß Kriki

Wenn sie die (fast) einzigen Player sind, die den Index durch ihre Käufe beeinflussen. Die ETFs laufen den Indizes ja nur hinterher, sie verändern einen Index nicht. Da spielt dann die zur Verfügung stehende Geldmenge bei den aktiven Fonds keine Rolle mehr.

Achso, jetzt verstehe ich endlich, was du meinst, danke.
Wenn ein aktiver Fonds überlebt, ist er groß genug, um Einfluss auszuüben. Bei weniger aktiven Fonds wird dieser Einfluss möglicherweise zu einseitig. Aber ob das wirklich auf Dauer zum Problem werden kann, kann ich nicht einschätzen. Vielleicht zwischenzeitlich, kurz bevor der letzte aktive Fonds geschlossen wird. Aber ich denke, davon sind wir noch sehr sehr weit entfernt, wenn überhaupt.

Grundsätzlich möchte ich mit meinem Beitrag auch nur dein Ansinnen unterstützen darauf hinzuweisen, dass ETFs nicht nur durch die rosarote Brille betrachtet werden sollen.

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