Vor ein paar Wochen hatte ich über mein erstes Seedmatch*-Investment geschrieben und meinen Beurteilungsprozess dazu erklärt. Es handelte sich dabei um KERNenergie Store.
Heute möchte ich ein Beispiel für ein Projekt zeigen, welches ich aussortiert habe, und ich möchte beschreiben, warum. Natürlich kann ich mich irren, und das Ding geht durch die Decke. Das würde ich den Gründern auch von Herzen gönnen. Aber hier geht es nicht um Gönnen, sondern um (mehr oder weniger) sachliche Überlegungen.
Es handelt sich um Quarkwerk. Es ist momentan noch auf der Seedmatch-Startseite* zu finden, denn das dazugehörige Funding läuft noch etwas mehr als einen Monat.
Mein Auswahlprozess (Beurteilungsprozess)
Dieser besteht aus drei Schritten, und zwar
- Schritt 1: Pitch-Video anschauen und dann überlegen,
- 1. ob ich etwas mit der Idee anfangen kann oder ob sie mich zumindest interessiert
- 2. ob die Zielgruppe wirklich groß genug ist bzw. so groß wie dargestellt
- 3. ob ich der Person/den Personen aus dem Video die Sache zutraue – ganz nach Bauchgefühl
Bei nur einem „Nein“ war’s das und ich brauche die anderen Überlegungen nicht mehr anzustellen.
- Schritt 2: Produkt oder Dienstleistung testen, sofern möglich, danach folgende Fragen beantworten:
- 1. Ist das wirklich so gut?
- 2. Wie wird es bereits jetzt vermarktet? Erreichen sie die Zielgruppe?
Auch hier ist bei nur einem „Nein“ Schluss.
- Schritt 3: Zahlen, Fakten und Chancen ansehen, dann entscheiden, ob ich investiere
Ich beginne also mit dem Pitch-Video. In den Pitch-Videos ist natürlich immer alles positiv dargestellt. Ich versuche jedoch, alles zu hinterfragen, etwa so: Kann denn das so stimmen? Wie wichtig ist diese oder jene positive Bemerkung für das Geschäft?
Meine Gedanken beim Anschauen des Quarkwerk-Pitch-Videos
Sie produzieren Snack-Riegel, und zwar „Quarkriegel – innovative, proteinstarke und vollwertige Snacks aus frischem Quark“. Das ist einfach zu verstehen.
Sie haben einige Auszeichnungen erhalten. Aber spielt das für den Erfolg wirklich eine so große Rolle? Meiner Meinung nach ist das völlig irrelevant. Der Gründer sagt es selbst:
„Der zentrale Punkt ist, die hochbegehrten Plätze im Frischeregal zu bekommen.“
Das ist übrigens auch ein Punkt, den die Profi-Investoren in der „Höhle der Löwen“ oftmals von einem Investment Abstand nehmen lassen: Wenn ein Produkt ins Frischeregal muss. Denn wenn es sich nicht gleich ausreichend verkauft, fliegt es da schnell wieder raus.
Hier sind nicht einmal bekannte Investoren dabei, die mal eben ihre Beziehungen spielen lassen und für die es ein Leichtes ist, die Chefs diverser Ketten zu überzeugen.
Nichtsdestotrotz sind die Riegel von Quarkwerk bei Bio-Märkten dauerhaft im Sortiment. Genannt werden im Video: Bio Company, Denn’s Biomarkt, LPG Biomarkt, Aleco alles ökologisch, basic Bio für alle. OK, das lässt sich zum Teil nachprüfen.
Laut Aussage des Gründers sind sie auch in den Märkten von Real, Globus, REWE und EDEKA extrem erfolgreich und ab dem 22.03.2021 sollte ein gemeinsames Projekt mit Aldi Nord (in über 2.200 Märkten) gestartet werden. Auch darauf lässt sich achten.
Im Video wurde der mögliche Vertrieb über Catering, Kantinen und Mensen eingeblendet. Nun gut, das klingt für mich zunächst erst nach einer Idee. Aber auch dort muss das Zeug ja ins Kühlregal.
Zum Markt sagt der Gründer: „Frische Snacks ist ein Milliardenmarkt in Europa“ und „Quarkwerk hat eine neue Kategorie auf diesem Markt erschaffen“. Ersteres glaube ich schon, wenn’s gut schmeckt und noch halbwegs gesund aussieht. Zu der Sache mit der neuen Kategorie bin ich skeptisch. Aber auch das sollte sich nachprüfen lassen.
Schritt 1: Mein Eindruck vom Pitch-Video
Nach meinen ungeordneten Gedanken habe ich mir meine ersten Fragen, so gut es bis dahin ging, beantwortet.
Frage 1: Kann ich etwas mit der Idee anfangen oder interessiert sie mich zumindest?
Antwort: Es handelt sich um ein bestimmt leckeres und halbwegs gesundes Produkt. Das ist leicht zu verstehen. Ich persönlich würde so etwas essen, zumindest probieren. Aber es muss ins Kühlregal. Das macht die Sache schwieriger.
Frage 2: Ist die Zielgruppe groß genug oder zumindest so groß, wie im Video dargestellt?
Antwort: Wir alle essen und snacken. Ob es dann aber Quarkwerk sein wird, ist fraglich. Wenn man mal googelt, findet man weitere Quarkriegel, z. B. sogar von der Lidl-eigenen Marke Milbona.
Frage 3: Traue ich den Personen – in diesem Fall ist es nur eine Person – die Sache zu?
Antwort: Er drückt sich klar und deutlich aus und redet nicht um den heißen Brei herum. Ich denke, dass er auch im Verhandeln sehr zielstrebig ist. Aber ob das reicht, weiß ich nicht.
Mein Fazit nach Schritt 1 (Pitch-Video):
Es ist kein ausdrückliches „Nein“ bei einer der Fragen dabei. Doch in jeder Antwort habe ich ein „Aber“. Also Vorsicht! Nach diesem Stand würde ich eher dazu tendieren, die Finger davon zu lassen. Ich bin jedoch neugierig geworden, und deshalb noch Schritt 2 gegangen.
Schritt 2: Produkttest
Ich habe Ausschau nach den Quarkwerk-Riegeln gehalten. Da hatte ich mal wieder einen Vorwand für eine Nascherei.
Im REWE in meiner Nähe habe ich Quarkwerk nicht gefunden. Das passt irgendwie nicht zu der Aussage des Gründers, dass die Riegel dort „extrem erfolgreich“ wären. Dann müsste man sie dort doch auch finden. In meinem Aldi gibt’s die auch noch nicht. Aber OK, das sollte ja nicht gleich in allen Märkten starten.
Zu Denn’s Biomarkt wollte ich sowieso mal wieder hin, um die leckere Marmelade zu kaufen, die ich im Zuge einer anderen Recherche für mich entdeckt hatte. (Hier der Artikel dazu: Ex-Geldverweigerer mit „SirPlus“ in der „Höhle der Löwen“ – ein Anstoß, über den Tellerrand zu schauen)
Gesagt, getan. Meine Marmelade hatte ich schnell gefunden. Also ab zum Kühlregal! Nach zweimaligem systematischen Durchschauen: Fehlanzeige, kein Quarkwerk!
Ich habe dann eine Mitarbeiterin nach Quarkriegeln aus dem Kühlregal gefragt und sie zeigte mir tatsächlich die Quarkwerk-Riegel mit der Bemerkung „Ja, die werden leicht übersehen, die haben auch gar keinen festgelegten Platz.“
Kein Wunder, dass ich die nicht gefunden hatte. Ein unscheinbares Häufchen auf einem ganz schmalen Platz. Es gab auch nur eine Sorte: „Vanille“. Also würde ich eben nur eine Sorte probieren können.
Da ich nun ohnehin schon unterwegs war und noch einige andere Lebensmittel brauchte, war ich noch bei Lidl. So konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und gleich Ausschau nach deren Milbona-Quarkriegel halten. Das war einfacher, denn der prangte unübersehbar mitten im Kühlregal.
Nun zu dem Teil, der mir am meisten Spaß gemacht hat. Vergleich und Geschmackstest. Hier zunächst mein Foto von den beiden Riegeln:
Beide enthalten 40 g, auf dem von Quarkwerk steht „11,3 % Protein“, auf der Lidl-Version „8,8 g Protein“. Achte auf den feinen Unterschied: „%“ gegenüber „g“. 11,3% von 40 g sind 4,5 g. Also enthält der Lidl-Riegel mehr Protein. Beide bestehen in der Hauptsache aus Quark. Wäre auch blöd, wenn nicht.
So sehen die Riegel ausgepackt aus (eigenes Foto):
Der Quarkwerk-Riegel ist mit heller Schokoglasur umhüllt, der Lidl-Riegel mit dunkler. Die Quarkwerk-Glasur ist empfindlicher, die Lidl-Glasur stabiler.
So sehen sie einmal durchgeschnitten aus (eigenes Foto):
Das Entscheidende: Mein Geschmackstest. Beide schmecken – wie kann es anders sein – nach Quark mit Schokoüberzug. Beide sind angenehm frisch und nicht zu süß.
Die Schokoglasur des Lidl-Riegels ist etwas dicker und kommt auch etwas mehr im Geschmack durch. Ich mag ja lieber helle Schokolade, aber da bei beiden Riegeln der Quark dominiert, ist das hier nicht so wichtig.
Beide schmecken gut, nur ist der Quarkwerk-Riegel etwas erfrischender, der andere kompakter. Alles in allem jedoch kaum ein Unterschied, vor allem, wenn man nicht direkt vergleicht. Auch wenn mir die beiden Riegel nicht schwer im Magen lagen, war ich erst einmal satt.
Zu guter Letzt der Preis: Quarkwerk 0,99 €, Lidl 0,39 € für jeweils 40 g.
Nun also die Beantwortung meiner Fragen zum Schritt 2.
Frage 1: Ist das wirklich so gut?
Antwort: Es ist lecker, aber wenn es das nicht gäbe, würde ich es nicht vermissen. Auch ist es nicht so einzigartig, wie sie behaupten.
Außerdem noch eine ketzerische Frage: Warum muss das in einen Riegel? Zum Mitnehmen ist es ohnehin nicht geeignet, wegen der Kühlung. So könnte man es genauso gut im Becher anbieten. Ein Becher ist nicht so empfindlich wie ein Riegel. Nur gibt es so etwas schon zur Genüge.
Also ein „nein“. Es ist zwar gut, aber nicht sooo gut.
Frage 2: Wie wird es vermarktet? Erreichen Sie ihre Zielgruppe?
Antwort: Ich denke, das wird im Video viel besser dargestellt als es ist. Da wird noch so viel Werbung in den sozialen Medien nichts bringen, wenn keine bessere Präsentation im Laden dazukommt. Dann findet es niemand, so wirkt die ganze schöne Werbung kaum. Also auch hier ein „nein“.
Damit ist das Projekt für mich disqualifiziert und meine Analyse zu Ende.
Ein Beispiel mit positivem Ausgang
Eine ausführliche Betrachtung zu dem Projekt, das meine „Prüfungen“ bestanden hat, findest du hier: Startup-Crowdinvesting – mein Auswahlprozess und mein erstes Seedmatch-Investment
Mein Vorhaben zum Startup-Crowdinvesting
Ich habe mir vorgenommen, in bis zu zehn Seedmatch-Investments jeweils 250 € zu investieren. Das kann jedoch sehr lange dauern, da ich sehr wählerisch bin. Ob meine Einschätzungen am Ende zutreffen, wird sich zeigen.
Warnung
Das hier sind wie immer nur meine persönlichen Ansichten. Es handelt sich weder um Anlageberatung noch Empfehlung. Startup-Crowdinvesting bietet zwar hohe Gewinnchancen, aber auch hohe Verlustrisiken. Das investierte Geld kann komplett weg sein.
Willst du dir selbst ein Bild machen?
Dann kannst du auf Seedmatch neben dem von mir ausführlich diskutierten noch etliche weitere Projekte finden. Bilde dir dein eigenes Urteil. Ich hoffe, ich konnte dich mit meinem Beispiel zu eigenen kritischen Fragen anregen.
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2 Antworten auf „Startup-Crowdinvesting-Projekt: Lecker, aber Investment?“
So, jetzt habe ich es getan und auch meinen Blog zu dem Thema auf den Weg gebracht und auch in einem Beitrag meinen Kommentar zu den Quarkriegeln dargestellt. Alles noch nicht perfekt, aber zumindest ein Anfang: https://www.finanzmicha.de/post/mein-wichtigstes-kriterium-bei-der-investition-in-startups
Hi Petra,
Interessant, hatte auch mal in Quarkwerk reingeschaut und kam zu dem gleichen Ergebnis; aber durch einen völlig anderen Entscheidungsprozess. Bin am überlegen, ob ich auch einen Blog erstellen soll Und meine Investments auf Companisto schreiben soll.Falls ich das tue, wäre das einer meiner ersten Posts. 🙂