Früher war ich lieb. Wenn jemand zu mir kam und sagte „Petra, für Dich ist das doch ein Klacks, mach Du das doch für mich“, habe ich nicht lange überlegt. Klar, bin ich dem Wunsch nachgekommen. Schließlich war das ja für mich ein Klacks. Außerdem war ich stolz darauf, und irgendwie wollte ich ja auch beweisen, dass es für mich wirklich nur ein Klacks war.
Pareto? Ist das eine Krankheit?
Hinzu kam noch, dass ich noch nichts vom Pareto-Prinzip, auch 80-20-Regel genannt, wusste: Mit nur 20% des Aufwands lassen sich meistens schon die ersten 80% des Ergebnisses erzielen. Wenn man jedoch ein 100%iges Ergebnis haben möchte, muss man für die letzten 20% noch die verbleibenden 80% Arbeit hineinstecken. Die ersten 80% waren für mich wirklich fast immer ein Klacks, den ich mit 20% des Aufwands erledigen konnte.
Dann war da aber noch die Sache mit meiner Gründlichkeit: Ich machte alles zu 100%. Also beschäftigte ich mich oft viel länger mit den Dingen von anderen, als ich geplant hatte. Ich war nicht sauer deswegen. Es war für mich OK. Ich konnte mir des Dankes sicher sein. Ich wurde gelobt. Das ist ein schönes Gefühl. Ich reagierte bescheiden. Ich war eben lieb.
Du kannst das doch, mach du das!
So nach und nach, der Prozess hat Jahre gedauert, gewann ich immer mehr den Eindruck, dass das als Selbstverständlichkeit hingenommen wurde. Heute, nach Jahren Abstand, realisiere ich das besser. Unter den „Hilfebedürftigen“ sind einige Leute, die sich immer nur dann melden, wenn sie etwas brauchen. Plötzlich ein Anruf: „Hallo, hier ist …, geht’s dir gut?“ Kaum die Antwort abwartend „Sag mal, du machst doch/kannst doch/hast doch …, ich beschäftige mich gerade mit… Kannst du mir da mal einen Tipp geben?“ Also höre ich zu, überlege kurz und sage dann, wie ich in dem Fall vorgehen würde. Was wären meine ersten Schritte, wenn ich vor dieser Aufgabe stünde? Dann dauert es nicht mehr lange bis zum „Kannst du das nicht für mich machen?“ Früher hätte ich sofort „Ja“ gesagt. Das war aber zu einer Zeit, als ich noch lieb war.
Nein! Naja, nicht immer: Es hängt davon ab…
Diese Zeit ist vorbei. Heute bin ich böse. Heute denke ich erst nach, bevor ich antworte. Ich sage öfter mal „Nein“. Ich suche nicht einmal nach Begründungen. Nein, und fertig. Mag sein, dass ich manchmal Menschen damit vor den Kopf stoße. Aber wenn ich schon von vornherein weiß, dass ich Zeit in etwas hineinstecke, die mir woanders wieder fehlt, stoße ich mich selbst vor den Kopf. Das finde ich schlimmer.
Aber ich sage nicht immer „Nein“, manchmal komme ich dem Wunsch ganz oder teilweise nach. Es gibt z.B. Menschen, bei denen es für mich keine Rolle spielt, welchen Aufwand mich die Sache, um die sie mich bitten, kostet. Ein anderer Grund, Aufwand in ein fremdes Anliegen zu stecken, kann sein, dass mich die Dinge einfach selbst interessieren, so dass ich für mich ein Lernprojekt daraus erzeuge.
Wegen der Inhalte, die ich hier veröffentliche und wegen meiner selbst programmierten Tools bekomme ich öfter Anfragen um Rat oder Hilfe von mir völlig unbekannten Menschen. Das ist in Ordnung. Ich versuche, soweit es mir möglich ist, zu helfen. Es erweitert auch oftmals meinen Horizont. Schnelle Antworten und einfache Lösungen gibt es dabei sogar kostenlos.
Allerdings merke ich recht schnell, ob Fragen oder Bitten meines Gegenübers nur auf eigener Faulheit beruhen. Das Dumme für solch einen Menschen ist nur, dass ich selber faul bin. Aber das ist ein anderes Thema. Heute ging es ja nur darum, dass ich böse bin.
Hab Mut zum Böse-Sein!
Wenn du magst, darfst du gern böse Kommentare unter diesen Artikel schreiben. Dafür bin ich nicht böse.
4 Antworten auf „Ich bin böse und das ist gut so“
Hallo Petra,
in der Managementliteratur gibt es ein treffendes Buch zu diesem Thema “ Der Minuten Manager und der Klammer-Affe“. Hier wird diese „Nein“-Position nicht als negativ, sondern als wichtige Eigenschaft einer Führungsperson hingestellt.
Deshalb wünsche ich Dir viel Mut diese Haltung fortzusetzen
Klaus
Hallo Petra,
interessant, dass Du dieses gesunde Verhalten als „böse“ bezeichnest.
Es ist einfach vollkommen normal Deiner eigenen kostbaren Lebenszeit einen hohen Wert zuzumessen und nicht für jeden anderen Menschen die Kastanien aus dem Feuer zu holen, obwohl Dir das nichts bringt und diese Menschen das oft nur aus Faulheit tun, weil Sie wissen es gibt Menschen wie Dich die man dafür benutzen kann.
Das Unterbewußtsein dieser Mitmenschen „riecht“ Deine unterbewußte Programmierung und nutzt Sie leidlich aus. Ich kenne das selbst aus meiner Familie und wenn man von außen rational darauf schaut, sind das fast immer Programme aus der Kindheit, die dort ablaufen.
Gruß und schöne Woche!
Naja, in den letzten Jahren hab ich „umprogrammiert“. Und ja, ich hätte das Wort böse auch in Anführungszeichen setzen können. 😉
Hallo Petra,
ich finde deinen Artikel mal wieder super!
Böse? Finde ich ganz und gar nicht.
Eher das Gegenteil.
Du bist gut zu dir selbst.
Du achtest auf dich.
Das ist nicht böse sondern notwendig.
Wenn DU nicht auf dich achtest, ein anderer wird es nicht tun.
Von daher finde ich dich und dein Verhalten alles andere als Böse.
Ich helfe auch gerne. Mein Wissen wird erweitert. Und ich tue anderen was gutes.
Aber ich habe auch gelernt mich abzugrenzen und Nein zu sagen.
Und merke auch dass es mir gut gut.
Ab und zu sage ich auch mal „Ja, das mache ich. Da helfe ich dir“.
Dann habe ich das aber (meist) gut überlegt ob ich wirklich dafür Zeit habe und würde auch ein STOPP setzen wenn es ausufert (Pareto…)
Mein Fazit zu deinem Artikel lautet:
Habt Mut für euch selbst zu sorgen.
Mach weiter so!
Stefan