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Piotroski-F-Score: Ergänzung für Value Investing Strategien

Der Piotroski-F-Score ist ein Bewertungssystem, welches etwas über die finanzielle Qualität eines Unternehmens aussagt.

Piotroski-F-Score: Barometer für finanzielle Qualität

Es gibt zwar bereits sehr gute und verständliche Erklärungen zum Sinn und zur Berechnung des Piotroski-F-Scores.

Trotzdem habe ich es mir nicht nehmen lassen, die Originalarbeit von Joseph D. Piotroski zu lesen, und bin dort auf wichtige zusätzliche Informationen gestoßen, die gern in vereinfachten Darstellungen gern weggelassen werden.

Deshalb verlinke ich hier nicht einfach eine Zusammenfassung von jemand anderem, sondern schreibe meine eigene Variante.

Berechnung des Scores

Der Piotroski-F-Score wird aus 9 Kriterien berechnet, welche anhand der Finanzdaten aus den letzten Jahresabschlüssen ermittelt werden. Es geht dabei um Untersuchungen zur „finanziellen Gesundheit“, z.B. ob die Firma profitabel arbeitet, Schulden abgebaut hat usw.

Jedes Kriterium fällt entweder gut oder schlecht aus und ergibt einen bzw. keinen Punkt. Der Piotroski-F-Score ist einfach die Summe über diese 9 Einzelbewertungen. Er kann also einen Wert zwischen 0 und 9 annehmen.

8 oder 9 Punkte gelten als sehr gut (Kaufaktien), 0 und 1 Punkt als sehr schlecht (Verkaufaktien).

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Die Einzelkriterien

Diese lassen sich in drei Bereiche einteilen, und zwar

  • Profitabilität
  • Verschuldung, Liquidität, Finanzierung
  • Operative Effizienz

Kriterien für Profitabilität

  1. Jahresüberschuss vor Sondereffekten > 0 (net income before extraordinary items)
  2. Operativer Cashflow > 0 (cash from operating activities)
  3. Return On Assets (ROA) ist höher als im Vorjahr: ROA wird dabei jeweils berechnet aus dem Jahresüberschuss vor Sondereffekten des betrachteten Geschäftsjahres geteilt durch die Bilanzsumme (total assets) vom Anfang des Geschäftsjahres, also vom Ende des davorliegenden Geschäftsjahres.
  4. Operativer Cashflow > Jahresüberschuss vor Sondereffekten

Kriterien für Verschuldung, Liquidität, Finanzierung

  1. Verschuldungsgrad gegenüber dem Vorjahr verringert. Der Verschuldungsgrad wird hier berechnet aus der Höhe der langfristigen Schulden (Finanzschulden, total long term debt) geteilt durch die Bilanzsumme (total assets), jeweils vom Ende des Geschäftsjahres
  2. Liquidität 3. Grades (current ratio) ist höher als im Vorjahr. Die Liquidität 3. Grades (current ratio) berechnet sich als Quotient des Umlaufvermögens (current assets) und der kurzfristigen Verbindlichkeiten (current liabilities), jeweils vom Ende des Geschäftsjahres.
  3. Anzahl ausstehender Aktien ist nicht höher als im Vorjahr.

Kriterien für operative Effizienz

  1. Rohmarge (gross profit margin ratio) ist höher als im Vorjahr. Die Rohmarge wird jeweils berechnet aus dem Bruttoergebnis vom Umsatz (gross profit) geteilt durch den Gesamtumsatz (total sales/revenues), jeweils zum Ende des Geschäftsjahres.
  2. Der Kapitalumschlag (asset turnover ratio) ist höher als im Vorjahr. Der Kapitalumschlag berechnet sich aus dem Gesamtumsatz (total sales/revenues) des Geschäftsjahres geteilt durch die Bilanzsumme (total assets) vom Beginn des Geschäftsjahres, also vom Ende des davorliegenden.

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Abweichungen in den Einzelkriterien

Auf manchen Seiten findet man für Kriterium 1 einfach nur die Angabe Jahresüberschuss.

Auch werden ROA bzw. Kapitalumschlag oftmals als Quotient aus Jahresüberschuss bzw. Gesamtumsatz und dann der Bilanzsumme zum Ende des gleichen Geschäftsjahres berechnet.

Zur Ermittlung des Verschuldungsgrades wird anstelle der langfristigen Schulden oftmals das gesamte Fremdkapital eingesetzt.

Diese Abweichungen vom Original sind in der Regel nicht so schlimm, denn das wird in den meisten Fällen keinen anderen Score hervorbringen als die „exakte“ Berechnung.

Ich sträube mich immer, in derart theoretischen Modellen überhaupt von „exakt“ zu sprechen.

Wenn also die langfristigen Schulden nicht extra ausgewiesen sind, kann man einen Verschuldungsgrad auch unter Benutzung des gesamten Fremdkapitals (total liabilities) berechnen usw.

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Wann ist die Berechnung des Piotroski-F-Scores sinnvoll?

Die bereits erwähnte Arbeit von Joseph D. Piotroski trägt den Titel „Value Investing: The Use of Historical Financial Statement Information to Separate Winners from Losers“.

Schon im Überblick ganz am Anfang steht etwa folgende Aussage (bin kein Übersetzungs-Profi, aber ich denke, ich hab’s getroffen):

Diese Arbeit untersucht, ob eine einfache auf Bilanzdaten basierende Fundamentalanalyse-Strategie, angewendet auf ein breites Portfolio aus niedrig bewerteten Aktien (mit niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis), die Verteilung der Erträge eines Investors verschieben kann. Ich zeige, dass die Erträge, die ein Investor in niedrig bewertete Aktien erzielt, um mindestens 7½% pro Jahr durch die Auswahl von finanziell starken aus diesen Firmen erhöht werden können, während die gesamte Verteilung erzielbarer Erträge nach rechts verschoben wird. Darüber hinaus generiert eine Anlagestrategie, die voraussichtliche Gewinner kauft und voraussichtliche Verlierer leer verkauft, einen jährlichen Ertrag von 23% zwischen 1976 und 1996, und die Strategie erscheint langfristig robust zu sein und als Ergänzung anderer Anlagestrategien geeignet. Innerhalb des Portfolios von niedrig bewerteten Aktien bringt die Analyse des Jahresabschlusses vor allem für kleine und mittelgroße Unternehmen einen Vorteil, dazu gehören Firmen, deren Aktien eng gehandelt werden, und denen kein Analyst folgt.

Statt „Aktien mit niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis“ steht im Originaltext „high book-to-market firms“, denn ein niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis (auch Marktkapitalisierung-zu-Buchwert-Verhältnis) entspricht einem hohen Buchwert-zu-Marktkapitalisierung-Verhältnis. Bei uns ist das KBV gebräuchlicher. Deshalb habe ich es lieber so ausgedrückt.

Besonders für die oben charakterisierten Firmen ist die Berechnung des Piotroski-F-Scores sinnvoll. Es gibt Gründe dafür, warum eine Aktie gemessen an ihrem Buchwert so günstig gehandelt wird. Kurz ausgedrückt: finanzielle Notlage (im Original als financially distressed bezeichnet).

Darum wird hier z.B. Schuldenabbau (Kriterium 5) positiv gewertet. Dagegen kann es bei absolut gesunden Firmen durchaus von Vorteil sein, wenn die langfristigen Schulden erhöht werden, weil das eine Hebelwirkung auf die Ertragskraft des Eigenkapitals hat.

Bei großen gesunden Firmen, ist es auch nicht so schlimm, wenn das ROA im Vergleich zum Vorjahr nicht erhöht wurde usw.

So würde es keinen Sinn machen, den Piotroski-F-Score für jede Aktie als absoluten Maßstab anzusetzen und grundsätzlich nur Aktien mit 8 oder 9 Punkten zu kaufen.

Manche Aktien haben einen niedrigen F-Score und sind trotzdem gute Investments. Es schadet jedoch nichts, auch für sehr profitable und aufgrund dessen höher bewertete Aktien den F-Score zu berechnen.

Man kann es zum Beispiel als Warnsignal sehen, wenn der Score von einem aufs nächste Jahr um mehrere Punkte (3 oder mehr) fällt.

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Nun zur Praxis: Ein Berechnungsbeispiel

Hier seht ihr meine F-Score-Berechnung für Colruyt:

Berechnung für Colruyt
Ende LJ steht für Ende des letztes Geschäftsjahres, Ende LJ-1 für Ende des vorletzten Geschäftsjahres usw.

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Die Excel-Datei zur Piotroski-F-Score-Einzelberechnung

Ich habe mir, wie auf dem Screenshot zu erkennen, eine Excel-Datei für die Berechnung jeweils einer einzelnen Aktie erstellt. Du findest sie zum Download hier: Piotroski-F-Score Berechnungsblatt

11 Antworten auf „Piotroski-F-Score: Ergänzung für Value Investing Strategien“

Hallo Petra!
Falls du das noch nicht gesehen hast, echtgeld.tv hat gerade eine sehr interessante Sendung über Piotroski F-Score gemacht: Out-Performance mit Piotroski | SO geht das! | echtgeld.tv (24.07.2018) Hier ist die Youtubelink dazu: https://www.youtube.com/watch?v=yX44OLnyF4U
Ich habe gedacht, das würde dich interessieren. 🙂
Mit freundlichen Grüßen,
Kjell

Hallo Petra,
ein schöner Artikel. Danke für die Mühe und die verständliche Einführung in eigenen Worten. Neugierig geworden habe ich ebenfalls das Orignaldokument gelesen. Interessant, dass der F Score heute auf alle Aktien, inklusive der großen Dividendentitel, angewendet wird. Schließlich ist er für marktenge Unternehmen mit finanziellen Problemen und damit zusammenhängend einem niedrigen KBV konzipiert und machen die Kennzahlen gerade in diesem Kontext Sinn. Pietrowskis stellt dann auch in der Untersuchung fest, dass die Strategie bei großen Unternehmen nicht funktioniert, bzw. keinen Mehrwert bringt. Scheint aber niemanden zu stören. Und dass der Leerverkauf Teil der Strategie, bzw. der Performance dieser Strategie ist, bleibt anderswo ebenfalls unerwähnt.
Lieben Gruß,
Torsten

Torsten, damit hast du total Recht. Ich sehe den F-Score auch nicht als geeignet an, nur darauf basierend anzulegen, aber als zusätzliche Betrachtung ist er OK, denn ich halte die Kriterien für geeignet, wenn man Unternehmen sucht, die möglichst nicht pleite gehen. Übrigens: Ich mag Deine Seite und habe gern Deinem Gespräch mit dem Finanzrocker zugehört.
Gruß Petra

Ich habe folgende Seite gefunden, welche die Performance des F-Score über 12 Jahre (1999-2011) für europäische Aktien betrachtet: https://www.quant-investing.com/piotroski-f-score-investor
Large Caps können ebenfalls vom F-Score profitieren, allerdings bei weitem nicht so stark wie Small/Mid Caps. Die Kombination des F-Score mit einem niedrigen KBV konnte dann nochmals eine deutlich bessere Performance erreichen, was die Theorie des Investments in kleinere Titel mit niedrigem KBV empirisch bestätigt.
Viele Grüße,
Matthias

Hallo Petra,
wieder ein toller Beitrag zu einem interessanten Thema.
Was mich bei Punkt 7 (Anzahl ausstehender Aktien ist nicht höher als im Vorjahr) noch interesieren würde ist ob hier die Anzahl der Aktien verwässert oder unverwässert zugrundegelegt wird? Oder spielt das keine Rolle?

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